Zwei Schleifsteine mit Rillen aus Niederwetz

Mit diesen beiden Geräten aus Bundsandstein möchten wir unsere Reihe zur Vorstellung besonderer Funde eröffnen.

Ein Acker südwestlich von Schöffengrund-Niederwetz nahe der L 3284 ist der Fundplatz zweier Steine mit unverkennbar künstlicher Bearbeitung. Beide beste­hen aus Buntsandstein. Sie sind als Schleifsteine anzusprechen; solche Stücke gelangen selten in Museumsbesitz, da sie als Artefakte bei Feldbegehungen meist nicht erkannt werden (KEGLER-GRAIEWSKI 76).

Objekt 1

Schleifstein aus Schöffengrund-Niederwetz

L 8,8 cm; B 8,1 cm; H 4,0 cm; Gew. 260 g. Amorphe Form, lediglich die eine Schmalseite scheint künstlich verrundet zu sein. Auf einem sicher künstlich ver­eb­neten Teilbereich der Steinoberfläche verlaufen zwei gerade, jeweils 4,6 cm lange, 4 mm breite und ebenso tiefe Rillen im Abstand von etwa 0,8 cm parallel zueinander. Daneben verlief eine ähnliche, nicht ganz parallele Rille, in der der Rand des Steins abgebrochen ist. Am Rand der Fläche ist eine 2,1 cm lange und 4 mm breite Einkerbung wahrscheinlich ebenfalls als absichtlich angelegt zu betrachten. Zwischen diesen Hauptrillen lassen sich zwei ebenfalls gerade ver­laufende parallele kaum wahrnehmbare etwa 3 cm lange Spuren wohl auch als begonnene Schleifbahnen ansehen.

Objekt 2

Schleifstein aus Schöffengrund-Niederwetz

Objekt 2 ist mit 12,5 cm und 4,9 cm maximaler Breite länglich ausgebildet (brotlaibförmig) und besitzt im Querschnitt eine mit mehr als halbkreisförmigem Umfang gewölb­te Seite, die in eine plane Fläche übergeht. Das Artefakt wiegt 316 Gramm. Eines der beiden Enden ist rundlich geformt, das andere Ende wirkt zufällig gebrochen. Im Streif­licht werden in der sorgfältig geglätteten Außenhaut die Spuren der Bearbei­tung erkennbar. Einige geringfügige Abplatzungen und Kerben sind wohl auf Pflugeinwirkungen zurückzuführen. In der Mitte der planen Seite zieht sich der Länge nach eine schwach ausgebildete fast gerade Rille von etwa 4 mm Breite und nicht einmal 1 mm Tiefe hin.

Einordnung

Artefakte mit den beschriebenen Merkmalen sind mir aus dem Lahn-Dill-Kreis bisher nicht bekannt. Wenn diese gewöhnlich als „Pfeilschaftglätter“ angespro­chen werden, liegt das an den üblicherweise breiten Rillen, die sehr wohl dem vermuteten Zweck gedient haben können. Bei den beiden vorliegenden Exem­plaren muss man an Beschleifen von wesentlich dünneren stabartigen Gebilden denken, an Knochenahlen oder Knochennadeln zum Beispiel. Sie wären damit ein früher Beleg für die Anfertigung von Kleidung aus Leder oder Fell. Da es sich um Lesefunde ohne datierende Begleitfunde handelt und nach BOLUS die Formgebung der bekannten Reibsteine insgesamt bisher keine chronolo­gische Reihung ermöglichte, kann man sich einer absoluten Datierung nur vorsichtig annähern. KEGLER-GRAIEWSKI hat in ihrer Dissertation für Nordhessen festgestellt, dass die größte Anzahl der Schleifsteine in der Jungsteinzeit aus dem Alt- bis Mittelneolithikum stammt. Diese Zeitabschnitte umfassen nach LÜNING den Bereich von 5000 bis 4400 v.u.Z. Schleifsteine mit schmaler Rinne, die nicht als Pfeilschaftglätter in Frage kommen, sind für die Zeit der Linearbandkeramik nachgewiesen (WELLER). Brotlaibförmige Glättsteine wie Objekt 2 scheinen bei der Hinkelsteingruppe zwischen 5000 und 4800 beliebt gewesen zu sein (BOLUS Abb. 2; HERRMANN / JOCKENHÖVEL Abb. 69). Buntsandstein ist ein Gestein, das in etwa 20 km Luftlinie entfernt am Münzenberg ansteht und nachweislich als Rohstoff für Getreidemahlsteine in Oberquembach und den anderen Siedlungen der Umgebung, Schwalbach und Oberwetz Verwendung fand (ENGELBACH 2015 b). Akzeptiert man einen Zusammenhang, dann bestätigt die Keramik von Oberquembach eine Zeitstellung der beschriebenen Objekte in die jüngere Bandkeramik zwischen 5000 und 4800 (ENGELBACH 2015 a).

Literatur

Michael BOLUS, Schleifsteine mit Rille (Pfeilschaftglätter). In: Harald Floss (Hrsg.), Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis in die Neuzeit, Tübingen 2012: 525-534.

Klaus ENGELBACH, Die älteste Siedlung in der Gemeinde Schöffengrund. Schriften des Vereins für Regionale Vorgeschichte 7, 2015 a.

Klaus ENGELBACH, Bemerkungen zu einem neolithischen Reibstein aus der Gemarkung Schöffengrund-Oberquembach. In. Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins 47, 2015 b: 37- 40.

Fritz-Rudolf HERRMANN / Albrecht JOCKENHÖVEL (Hrsg.), Die Vorgeschichte Hessens. Stuttgart 1990.

Nicole KEGLER-GRAIEWSKI, Beile – Äxte – Mahlsteine. Zur Rohmaterialversorgung im Jung- und Spätneolithikum Nordhessens. Diss. Köln 2007. (www.kups.ub-koeln.de/2160/1/Dissertation_Kegler_Graiewski.pdf)

Jens LÜNING, Erneute Gedanken zur Benennung der neolithischen Perioden. In: Germania Bd. 74, Nr. 1, 1996: 233 – 237.

Ulrike WELLER, Studien zu den Steingeräten der Linearbandkeramik im Leinetal zwischen Hannover und Northeim. Diss. Freiburg 2001. In: Archäologische Informationen 24/2, 2001: 345 – 347.

Autor: Klaus Engelbach